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Der Bauturbo kommt! - Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung

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Am Mittwoch, den 18. Juni 2025, hat das Bundeskabinett in Umsetzung des entsprechenden 100-Tage-Ziels des Koalitionsvertrages den Gesetzentwurf zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung beschlossen (Schneller bauen mit dem Wohnungsbau-Turbo | Bundesregierung). Hintergrund der geplanten Änderungen des Baugesetzbuches (im Folgenden: BauGB) ist die Bekämpfung des insbesondere in städtischen Gebieten bestehenden Mangels an bezahlbarem Wohnraum. Trotz der neuen Kabinettskonstellation soll die noch unter der Ampel-Koalition erdachte „Bau-Turbo-Norm“ § 246e BauGB-E mit wenigen Änderungen in das Baugesetzbuch aufgenommen werden. Der Kabinettsbeschluss ist in Ansehung der lahmenden Bauwirtschaft und des massiven Mangels an Wohnraum zu begrüßen. Ihm liegt indes die Erkenntnis zu Grunde, dass die Kommunen heute nicht mehr dazu in der Lage sind, eilige Bedarfe durch die Aufstellung oder Änderung von Bebauungsplänen zu decken, weil die Verfahren schlicht zu lange dauern.

Positiv ist hervorzuheben, dass Wohnbauvorhaben künftig deutlich weniger Hürden im Weg stehen. Der Gesetzentwurf sieht großzügige Befreiungs- und Abweichungsmöglichkeiten vom bestehenden Planungsrecht vor, solange diese dem Wohnungsbau dienen. § 31 Abs. 3 BauGB-E und § 34 Abs. 3b BauGB-E ermöglichen unter prinzipieller Beachtung der überkommenen planungsrechtlichen Struktur großzügige Ausnahmen von den Festsetzungen des Bebauungsplans und vom Einfügen in die nähere Umgebung auch über den Einzelfall hinaus. Zudem schafft er mit § 246e BauGB-E für einen begrenzten Zeitraum eine noch weiter gehende Möglichkeit, das Planungsrecht zurück zu drängen, soweit dies dem Wohnungsbau dient und mit Zustimmung der Gemeinde geschieht. 

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Das zentrale Element des Gesetzentwurfs bildet die Vorschrift des § 246e BauGB-E. Danach kann  bei der Zulassung eines Vorhabens mit Zustimmung der Gemeinde

„von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs [BauGB] oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften [insbesondere BauNVO und Bebauungspläne] in erforderlichem Umfang abgewichen werden, wenn die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist und einem der folgenden Vorhaben dient

  • der Errichtung Wohnzwecken dienender Gebäude;
  • der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung zulässigerweise errichteter Gebäude, wenn hierdurch neue Wohnungen geschaffen oder vorhandener Wohnraum wieder nutzbar wird;
  • der Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung.“

Begrüßenswert ist, dass der sog. Bau-Turbo oder „Wohnungsbau-Turbo“ weitreichend ausgestaltet wurde und daher vielfältige Konstellationen umfasst. Er gilt nicht nur für Neubauvorhaben, sondern bezieht bewusst auch Änderungen und Nutzungsänderungen mit ein. Die letztgenannte Option der vereinfachten Nutzungsänderung bietet insbesondere bei der Umwandlung von Gewerbeflächen in Wohnraum großes Potential (Reimagining Real Estate: Repurposing in Germany). Neubauvorhaben dürften vor allem in Nachverdichtungssituationen profitieren. Die Anwendung der Regelung wird auch dazu führen, dass größer gebaut werden kann. Denn die Regelung ermöglicht das Überschreiten des durch einen bestehenden Bebauungsplan oder durch das „Einfügen-Gebot“ im unbeplanten Innenbereich gesteckten Rahmen zulässiger Gebäude-Kubaturen.

Zu begrüßen ist ferner, dass die noch zunächst vorgesehene Begrenzung auf Neubauvorhaben „mit mindestens sechs Wohnungen“ aufgegeben wurde und die Regelung damit voraussichtlich jeglichem Wohnbauvorhaben zu Gute kommen kann.

Auch der planungsrechtliche Außenbereich (§ 35 BauGB) soll behutsam für eine Wohnnutzung geöffnet werden, indem gem. § 246e Abs. 3 BauGB-E nur solche Vorhaben zulassungsfähig sind, die eine Fortentwicklung der bisher bestehenden Bebauung darstellen; der maximale räumliche Abstand zu dieser soll 100m betragen. Ferner befreit die Bau-Turbo-Norm nur vom Baurecht, nicht vom Naturschutzrecht, dem im Außenbereich eine besondere Bedeutung zukommt.

Gleichwohl ist zu beachten, dass die Zulassung über § 246e BauGB-E bestimmten Einschränkungen unterliegt: So muss zum einen das Abweichen dem Umfang nach „erforderlich“ sein. Mit dieser Formulierung werden die zuständigen Behörden dazu verpflichtet, im Einzelfall die Verhältnismäßigkeit des beschleunigten und vereinfachten Verfahrens zu prüfen. Zum anderen muss das Vorhaben „unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar“ sein. Bezogen auf den Fall der Nutzungsänderung werden in der Begründung des Gesetzentwurfs als öffentliche Belange aus dem insofern relevanten Katalog des § 1 Abs. 6 BauGB die gesunden Wohnverhältnisse (Nr. 1) und die Sicherstellung der Mobilität der Bewohner durch entsprechende Infrastruktur (Nr. 9) hervorgehoben. Die öffentlichen Belange sollen einer Abweichung nach der geplanten Vorschrift zudem dann entgegenstehen, wenn das Vorhaben nach dem Ergebnis „einer überschlägigen Prüfung voraussichtlich zusätzliche erhebliche Umweltauswirkungen“ verursacht; im Außenbereich wird zudem bei größeren Vorhaben teils weiterhin eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich sein. Diese Erfordernisse sind unionsrechtlich zwingend und können daher durch den deutschen Gesetzgeber nicht angefasst werden.

Eine relevante Einschränkung ist das Zustimmungserfordernis der Gemeinde. Damit der Bau-Turbo nicht die kommunale Planungshoheit aushöhlt, kann § 246e BauGB-E nur mit Zustimmung der Gemeinde genutzt werden. Hält diese das Vorhaben für unvereinbar mit ihren Vorstellungen von der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung, hat diese ein Vetorecht, das nicht durch die Bauaufsichtsbehörde ersetzt werden kann. Die Gemeinde kann ihre Zustimmung an Bedingungen knüpfen, was insbesondere dort eine Rolle spielen dürfte, wo nunmehr auf die Aufstellung eines Bebauungsplans verzichtet werden kann, die Gemeinde aber dennoch ein Interesse an der Umsetzung ihrer Baulandmodelle mit verpflichtenden Quoten für „Sozialbau“ oder der Tragung von Folgekosten hat. Über eine in der Regel nach zwei Monaten eintretende Zustimmungsfiktion will der Gesetzentwurf die Gemeinde zudem zur raschen Bearbeitung des Zustimmungsersuchens verpflichten (vgl. § 36a BauGB-E). Diese Frist verlängert sich bei Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit um maximal einen Monat.

Die Bau-Turbo-Norm soll zunächst als „Experimentierklausel“ bis Ende 2030 eingeführt werden. Wie bei derartigen Klauseln üblich, erfolgt ein Jahr vor ihrem außer Kraft treten eine Evaluation, als deren Ergebnis die Ausweitung der Geltungsdauer stehen könnte.

Zwischen 18.000 und 74.000 Anwendungsfälle pro Jahr schätzt der Kabinettsentwurf für die Bau-Turbo-Norm. Damit könnte jedes vierte Bauvorhaben von der Regelung profitieren. Man geht zudem davon aus, dass sich 70 % der Anwendungsfälle auf den unbeplanten Bereich (§§ 34, 35 BauGB) und 30 % auf Bebauungsplangebiete beziehen.

Bisher ist bekannt, dass die 1. Lesung des Gesetzentwurfs noch vor der Sommerpause geplant ist und das Gesetz bis Herbst 2025 vom Bundestag beschlossen werden soll. Eine Zustimmung des Bundesrates ist nicht erforderlich, sodass im Anschluss mit einem zügigen Inkrafttreten der Novelle zu rechnen ist.

 

 

Verfasst von Sabine Adams, Damian Sternberg und Carolin Bartz.

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